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08.08.2023 / Kommentare (3)

Island, ein Roadtrip und drei Schafe

Eigentlich hatten wir nach unserem vierten Island-Trip vor fünf Jahren gar nicht mehr unbedingt vor, noch eine weitere Reise dorthin zu unternehmen. Die immer stärkere Ausrichtung auf Tourismus in dem recht kleinen Land fühlte sich für uns schon damals nicht mehr gut an. Für dieses Jahr sind wieder 1,3 Millionen Besucher prognostiziert, mehr als viermal so viel Menschen wie Einwohner. Trotzdem, die Sehnsucht nach den faszinierenden Landschaften dort ist bei uns beiden groß und da hilft nichts anderes als wieder hinzufahren.

Leider habe ich in diesem Sommer aus beruflichen Gründen nicht sehr viel Zeit, so dass nur drei Wochen im Juli/August möglich sind, abzüglich Überfahrt also tatsächlich nur zwei Wochen in Island. Immerhin, eigentlich sollten um die Zeit sogar die Lundis (Papageitaucher) noch da sein. Außerdem gibt es ja auf Reykjanes zwischen Meraðalir und Keilir gerade eine aktive Eruption und wir hoffen natürlich, dass wir davon etwas zu sehen bekommen. Insgesamt steht dieses Mal gar nicht so sehr das Hochland auf unserem Plan, wir wollen vor allem mal allerlei Orte anfahren, die wir in der Vergangenheit aus irgendwelchen Gründen ausgelassen haben.

Als wir starten, sieht die Vorhersage für die nächsten sechzehn Tage nicht so gut aus und wir erwarten nicht viel vom Wetter. In Seyðisfjörður begrüßt uns dann aber tatsächlich schönster Sonnenschein. Entgegen dem Uhrzeigersinn machen wir uns auf den Weg um die Insel. Also erstmal Richtung Norden. Das schöne Wetter bleibt uns auch in Bakkafjörður und Porshöfn treu und als es sogar auf Langanes, dem nordöstlichen Zipfel Islands, sonnig bleibt, können wir dieses Glück kaum fassen. Zwar weht uns hier ein stürmischer, kalter Wind um die Ohren, aber das ist uns heute vollkommen egal – bei unseren früheren Reisen war es hier immer so neblig, dass wir nie weit über Porshöfn hinaus gekommen sind.

Hier oben liegen unzählige Baumstämme und andere Treibholz-Stücke am steinigen Ufer, die alle einen jahrelangen Weg von Sibirien übers Meer hierher hinter sich haben. Die meisten davon sehen nach irgendwann gefällten Stämmen aus, die sich wahrscheinlich beim Flößen auf den großen Strömen Russlands losgerissen haben. Aber es gibt auch ganz unregelmäßig geformte, wild aussehende Stücke und am liebsten würde ich von diesem Treibholz ganz viel mitnehmen, um zuhause schöne Dinge daraus zu bauen. Aber natürlich ist unser Stauraum begrenzt und ich entscheide mich für nur ein Exemplar. Mal gucken, was später einmal daraus entstehen wird.

 

Wir halten uns Richtung Westen weiter an der Küste entlang, machen einige Abstecher, erschrecken uns da und dort über die schiere Anzahl von Menschen und Mietwagen und lassen auch aus diesem Grund selbst Akureyri nach einem Kurzbesuch hinter uns. Unterwegs besuchen wir diverse Leuchttürme und haben sogar das Glück, Eiderenten beobachten zu können. Vorher war uns das nie gelungen, um so mehr freuen wir uns!

In Olafsfjörður bleiben wir, wie schon für die Nächste zuvor, auf einem Campingplatz (freies Campen ist in Island ja leider seit ein paar Jahren verboten), auf dem netterweise nur wenig los ist. Gleich nach unserer Ankunft werden wir von drei erstaunlich großen Stockenten-Erpeln begrüßt. So ähnlich (nur viel kleiner) geht es bei uns zuhause auch manchmal zu und wir freuen uns über den freundlich bettelnden und quakenden Besuch. Christel begeht den Fehler, eine Scheibe Weißbrot zu zerbröseln und diese zu „opfern“ – worauf hin die Drei immer in unsere Richtung wetzen, wenn bei uns eine Tür aufgeht.

 

 

Andere Länder, andere (Räder-)Sitten

Nachdem es schon gestern immer grauer wurde, erwischt uns dann heute doch ein fettes Regengebiet. Was soll’s – Island halt. Wir stoppen trotzdem an einigen schönen und interessanten Orten, abends landen wir auf einem etwas volleren Platz in Skagaströnd. In der Nähe stehen ein langer Allrad-Sprinter und ein älterer Ford-4×4-Van. Direkt neben uns parkt später noch ein Hymer Grand Canyon S ein, der auf ziemlich „fetten Puschen“ steht. Die drei isländischen Fahrzeuge gehören scheinbar befreundeten Besitzern. Im Gespräch erfahre ich dann mehr über den GCS: Das Fahrwerk wurde rundum komplett auf individuell pro Rad steuerbare Luftfederung umgebaut, die deutlich vergrößerten Radläufe beherbergen Reifen der Größe 315/75R16. Zwar ist so etwas (im Gegensatz zu Deutschland) in Island möglich, dafür hat der Eigentümer nach eigener Aussage trotz verstärkter Hinterachse Schwierigkeiten, mehr als 3,5t Gesamtgewicht eintragen zu lassen. Auch hier in Island gibt es eben so etwas wie einen TÜV.

Island, ein Roadtrip und drei Schafe

 

(Deep) Shit happens …

Im Süden der Westfjorde scheint das Wetter viel besser zu sein, wir ändern unseren Plan und fahren statt Richtung Drangsnes lieber dort hin. Es passt, kaum sind wir dort, lacht wieder die Sonne vom blauen Himmel. Das wollen wir nutzen und machen uns direkt auf nach Latrabjarg an der Südwestspitze der Westfjorde, um die Puffins (Lundi bzw. Papageitaucher) bei diesem tollen Wetter zu besuchen. Als wir ankommen, ist dort zwar recht viel los, aber kein einziger der putzigen Vögel ist mehr da. Enttäuscht müssen wir akzeptieren, dass die Puffins das Land bereits wieder auf’s Meer hinaus verlassen haben – bis zur Brutsaison im nächsten Jahr. Natur ist eben Natur und nicht auf einen Termin planbar.

Auf dem Weg um die Fjorde herum passiert es dann auf einer Schotterpiste westlich von Talknafjörður: Beim Zurücksetzen passt Christel einen kurzen Augenblick nicht auf und gerät auf den weichen, nur aus losem Schotter bestehenden Rand. Der Wagen rutscht seitwärts weg und steht in ziemlich übler Schieflage, nur der Bewuchs am Hang verhindert noch, dass er weiter abrutscht. Uns geht der sprichwörtliche „A…. auf Grundeis“. Die Beifahrertür lässt sich nur noch mit viele Ktaft öffnen und ich hänge mich erst mal in die nun offene Tür, damit wir ein Gefühl dafür bekommen, ob der Wagen kippt, wenn ich aussteige und damit die Gewichtsverteilung verlagere. Glücklicherweise ist das nicht der Fall, aber eine Bergung mit eigenen Mitteln ist eindeutig unmöglich – dabei würde das Fahrzeug mit Sicherheit kippen und den Hang hinunter auf den Strand stürzen. Inzwischen sind ein paar Jungs vorbei gekommen, haben netterweise die Notrufnummer für uns gewählt und dort auf isländisch erklärt, wo wir sind und wie die Situation ist. Außerhalb unseres „Esels“ und ohne zu wissen, wie, wann und ob wir unsere Reise überhaupt fortsetzen können, warten wir auf die Polizei.

 

Die kommt schon nach rund zwanzig Minuten und beurteilt die Lage nicht anders. Die beiden Polizisten aus Patreksfjörður meinen ebenfalls, dass wir einen Kran brauchen, möchten unsre Papiere sehen und telefonieren dann kurz. Der Kran sei in etwa vierzig Minuten hier. Dann stehen wir wieder allein im Wind neben unserem „schiefen Esel“ und sorgen uns. Wenigstens scheint er nicht weiter abzurutschen. Nach etwa einer halben oder Dreiviertelstunde nähert sich ein LKW mit Kran – so ein ähnliches Gefährt wie die, die bei uns Paletten mit Ziegeln ausliefern. Der Fahrer scheint patent, spricht aber nicht viel Englisch. Er guckt sich das Schlamassel eine Weile von allen Seiten an und telefoniert dann nochmal. Etwa fünfzehn Minuten darauf trifft ein Pickup mit zwei weiteren Personen ein. Erneute Begutachtung, dann ein weiteres Telefonat. Es dauert nicht sehr lange und es nähert sich ein Radlader, wirft ein Stück entfernt die Schaufel ab und kommt auf uns zu. So schnell, wie das ging, muss er gleich aus dem nächsten Dorf gekommen sein. Dann geht alles recht fix. Der Kran hebt den Sprinter vorne in die Höhe, während der Radlader quer zur Fahrtrichtung zieht. Glücklicherweise haben wir stabile Anschlagspunkte. Als „die Kuh vom Eis“, also der Sprinter wieder in Sicherheit ist, hat sich der rechte Hinterreifen durch die seitlichen Zugkräfte von der Felge gelöst. Schneller, als wir gucken können, wird das Problem mit etwas Startpilot und einem Feuerzeug auf „isländische Weise“ behoben, der Reifen sitzt wieder auf der Felge.

 

 

In Patreksfjörður geht es dann zur Kasse und entgegen unserer eher vierstelligen Befürchtungen kommen wir mit einem eher niedrigen, dreistelligen Betrag davon. Zusätzlich bedanken wir uns mit einem Mini-Fläschchen Heidegeist für die schnelle und tolle Hilfe. Den Reifen bringen wir an der Tankstelle wieder auf Soll-Druck und fragen uns, ob wir unterwegs wohl noch Schäden entdecken werden, vielleicht am Radlager, Fahrwerk o.ä.. Das passiert glücklicherweise nicht, aber das Rad hält den Druck nicht mehr. Wahrscheinlich Dreck zwischen Felgen- und Reifen-Lippe. Also noch mal Radwechsel. Wir sind schon fast fertig damit, da besteht ein isländischer Biker vehement darauf, den Rest zu machen. Er sei schon dreizehnmal in Deutschland gewesen, berichtet er nicht ohne Stolz – immer für Ersatzteile für seinen IFA W50, einen Allrad-LKW aus DDR-Produktion. Die Welt ist ein Dorf.

Meine Güte, was haben wir insgesamt für Schwein gehabt.

 

Litli-Hrútur-Eruption – haben Sie mal Feuer?

Den Norden der Westfjorde von Bolungavik bis Drangsnes streichen wir, zunächst wegen des deutlich schlechteren Wetters dort, vor allem aber, weil uns bewusst wird, dass die Zeit langsam etwas knapp wird. Wir haben einfach bisher etwas zu viel getrödelt. Über ein Stückchen der Halbinsel Snæcfellsnes und den Ort Borganes machen wir uns auf den Weg Richtung Reykjavik. Wir würden unheimlich gern einen Heli-Flug zur Eruption unternehmen und die glühende Lava aus der Luft sehen. Dafür waren die Preise schon vor einigen Wochen ziemlich gesalzen, aber so etwas erlebt man ja vielleicht nur einmal im Leben. Als wir in Reykjavik ankommen, sind die Preise in der Zwischenzeit geradezu explodiert: Da werden für dreißig Minuten Flug teilweise über fünfhundert Euro pro Person aufgerufen. Dabei ist es nicht ganz unerheblich, dass die Entfernung zur Eruption rund fünfunddreißig Kilometer beträgt, bei 200km/h des Hubschraubers also netto im besten Fall zehn Minuten an der Eruption bleiben. Und das in einem Heli, in dem bei fünf Passagieren nicht mal ein Fensterplatz garantiert ist. Wir hadern lange mit uns, entscheiden uns dann aber gegen so einen Flug. Vielleicht doch die Wanderung von insgesamt rund achtzehn Kilometern? Vom nun gesperrten Abzweig zum Berg Keilir an der Nordseite der Halbinsel Rerykjanes aus sehen wir den Berg und ein Stückchen westlich davon ist sogar Rauch am Horizont zu sehen. Das macht uns schon mal ein wenig Hoffnung.

 

Island, ein Roadtrip und drei Schafe

Rauchfahne über der Eruption südwestlich des Berges Keilir

Als wir am nächsten Tag an den Parkplätzen der Trails zur Eruption vorbei kommen, wissen wir zumindest, dass eine Heli-Tour bei dem dunstigen Wetter und der schlechten Sicht entweder vergeblich gewesen wäre oder gar nicht stattgefunden hätte. Allerdings ist das Wetter so schlecht, dass wir uns auch gegen eine Wanderung entscheiden. Vielleicht bereuen wir das irgendwann, aber es bleiben uns nur noch wenige Tage in Island, eine Wahl mussten wir nun mal genau jetzt treffen. An der schroffen Küste fahren wir weiter.

 

 

Dann aber noch etwas Gletscher …

Über die Ringstraße fahren wir weiter entlang der Küste gen Osten. An den bekannten Attraktionen ist recht viel los, an vielen Stellen gibt es inzwischen recht deftige Parkplatzgebühren. An der großen Gletscherfläche Vatnajöküll kommen wir aber auf holprigen, nur für 4×4 erlaubten und damit angenehm einsamen Pisten sehr nah an zwei Gletscherlagunen heran und haben diese sogar jeweils ein Weilchen ganz für uns. An der bekanntesten Gletscherlagune Islands, dem Jökullsàrlon, trifft uns dann aber fast der Schlag. Weder auf der Live-Webcam noch auf Google- oder Bing-Maps ist erkennbar, welche Ausmaße der Tourismus dort angenommen hat. Neben einem riesigen Haupt-Parkplatz gibt es inzwischen einen großen Überlauf und vier kleinere Parkplätze. Wir zählen weit mehr als einhundertfünfzig Fahrzeuge und treten gleich wieder die Flucht an, ohne überhaupt auszusteigen.

 

Die letzten eineinhalb Tage bis zur Abfahrt verbringen wir, immer noch bei unerwartet schönem Sonnenwetter, an den Fjorden im Südosten Islands und machen uns so unsere Gedanken über das Land. Wundervolle, faszinierende Natur steht hier einem auf uns ziemlich ungezügelt wirkendem Wachsturm touristischer Infrastruktur gegenüber. Mit dem Island, das wir vor mehr als elf Jahren kennengelernt haben, hat es an manchen Stellen gar nicht mehr viel gemeinsam. Besonders traurig finden wir auch, dass so einige Touristen sich scheinbar nicht an gegebene Regeln gebunden fühlen und ihnen Gedanken wie Naturschutz oder Erhalt gemeinsam genutzter Ressourcen offenbar recht egal sind – was wir auf dieser Reise immer wieder „live“ beobachten konnten.

Aber wir haben auch etwas Amüsantes gelernt, das wir bisher noch nie bewusst realisiert hatten: Isländische Schafe sind fast immer zu dritt unterwegs. Achte einfach mal darauf, wenn Du Island besuchst!

Island, ein Roadtrip und drei Schafe

 

Ach – und falls Du weißt, warum die das tun, schreib’s doch bitte in die Kommentare!

Zuletzt geändert: 08.08.2023

Es gibt 3 Kommentare zu :
Island, ein Roadtrip und drei Schafe

  1. Michael sagt:

    Schöner Reisebericht. Vielen Dank! Vlt. sind wir uns sogar begegnet. War mit einem gelben 906 zur gleichen Zeit auf Island unterwegs (https://www.instagram.com/mynineosix/). Ich fand’s überall wunderschön… bis auf den Süden. Highlands war dann für uns ein echter Härtetest. Sind auch mit ‘nem blauen Auge davongekommen. Hab aber viel gelernt 😉

  2. Trudy Bommel sagt:

    Das mit den Schafen ist einfach- hat uns ein Schafbauer vor Ort erklärt. Ist immer Muttertier und zwei Junge. Die Böcke bleiben unter sich und kommen erst kurz vor Saisonende zusammen. Die haben das wie eine innere ⏰ in sich- bis sie im Winter wieder eingesperrt werden.

  3. Dieter Braun sagt:

    Hallo,
    Das war ein schöner Bericht, Dankeschön !
    Ich war in den 80er und 90er Jahren ein paar mal in Island mit einem Landrover… jetzt habe ich mittlerweile auch einen Sprinter und träume schon lange davon, da mal wieder hinzufahren… wahrscheinlich werde ich hier und da enttäuscht sein aufgrund des Tourismus wie ich das von damals natürlich nicht kenne, aber trotzdem…. einmal noch Westfjorde ☺️…
    Lieben Gruß aus Stralsund 🙋‍♂️
    Dieter

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