Wir sind in Tallinn, ein schöner Trip durchs Baltikum liegt hinter uns, wir haben noch acht Tage Zeit und absolut keine Lust auf die Fähren nach Stockholm, Kiel oder Travemünde. Was tun? Wir wählen den wohl unvernünftigsten Weg zurück nach Hause – über Finnland und Schweden. Aber das passt eigentlich ja ganz gut zu uns.
Also geht es in Estlands Hauptstadt kurzerhand auf die Fähre. Zwei Stunden später sind wir schon in Helsinki. Unser Trip durch Karelien ist noch nicht so lange her, daher halten wir uns gleich Richtung Nordnordwest. Abends am 21. Juni, dem Tag vor Mittsommer, landen wir rund hundertzehn Kilometer weiter am Vesijärvi. Die Suche nach einem schönen, einsamen Platz am Seeufer scheitert an diversen privaten Grundstücken mit Sommerhütten, die wir natürlich respektieren. Am Hafen von Lahti findet sich dann doch noch ein Plätzchen, an dem wir fast ganz allein sind. Ab und zu ein Radfahrer oder Spaziergänger, das ist alles.
Am nächsten Morgen entschließen wir uns, über Land mehr oder minder direkt Richtung Vaasa zu fahren. Den Tag verbringen wir ganz entspannt unterwegs mit diversen Abstechern durch Wälder und an Seen. In der Hafenstadt Vaasa am Bottnischen Meerbusen zieht es uns erst mal in das „alte Vaasa“. Die Stadt wurde Mitte des neunzehnten Jahrhunderts durch Feuer zerstört. Da sie durch die stetige Landhebung inzwischen weit hinter der Küste lag, wurde sie einfach sieben Kilometer weiter westlich wieder aufgebaut. Vom alten Ort ist heute kaum noch etwas übrig, nur eine imposante Kirchenruine blieb erhalten.
Nach der ausgiebigen Erkundung fahren wir in die Stadt, essen noch eine leckere Rentier-Pizza und beschließen, wegen der Fähre am nächsten Morgen auf dem nahe gelegenen Campingplatz zu übernachten. Leider stellt der sich als eine dieser Riesen-Anlagen heraus, denen wir nicht so zugeneigt sind. Wenigstens dürfen wir uns einen Platz in einem Bereich frei aussuchen, weil wir keinen Strom brauchen, aber die Freude währt nicht besonders lang. Kaum stehen wir, kommt eine selbsternannte Camping-Blockwartin aus ihren Wohnwagen auf uns zu und erläutert uns wortreich, dass wir da nicht stehen dürften. Wir begreifen schnell, dass wir ihr wohl einfach irgendwie die Sicht versperren oder was auch immer und suchen uns um des Friedens Willen eine andere Ecke.
Die Überfahrt von Vaasa ins schwedische Umeå am nächsten Morgen ist mit dreieinhalb Stunden auch erträglich. Wir haben überhaupt keine Lust auf den für unser Gefühl ziemlich vollen Südosten Schwedens und fahren erst mal möglichst weit nach Westen. Nach drei Stunden haben wir endlich wieder Schotter unter den Rädern. Irgendwo in der Nähe von Helgum finden wir einen total ruhigen, nur von Büschen und Bäumen umgebenen Platz mitten im Wald. Die geschotterte Fläche scheint zwar zu einer Firma ein ganzes Stück weiter vorne zu gehören und für Schüttgut-LKW gedacht zu sein, aber es ist Wochenende. Wir behalten Recht, die Nacht und der folgende Morgen sind ruhig, niemand kommt vorbei.
Nach einem sehr leckeren Sonntags-Frühstück machen wir uns auf dem Weg zu unserem nächsten Ziel. Wir finden wieder ein paar nette Schotterstraßen auf dem Weg zum Thailand-Pavillon in Utanede. Dieses in seiner Umgebung (und eigentlich überhaupt in Schweden) vollkommen deplatziert wirkende Bauwerk wurde 1997 zur Erinnerung an den damals hundert Jahre zurück liegenden Besuch des Thailändischen Königs Chulalongkorn errichtet. Neben dem Garten mit Teich gehören auch ein Treibhaus mit thailändischen Pflanzen, eine kleine Bühne und diverse kleinere Bauten im thailändischen Stil zum Ensemble. Ein paar Elefanten-Statuen symbolisieren die lebenden Elefanten, die Thailand Schweden zur Einweihung zum Geschenk machte. Glücklicherweise müssen die nun nicht da herumlaufen, sondern sind heute im Stockholmer Zoo zu sehen. Die Besichtigung reißt uns nicht vom Hocker, aber skurril ist das Ganze in jedem Fall.
Im Zickzack fahren wir Richtung Südwesten, immer auf möglichst kleinen Straßen und Wegen. Wir wollen heute noch irgendwo in die Gegend nordwestlich von Mora, am liebsten ins Fjäll. Das mit dem Fjäll klappt dann doch nicht so ganz. Ein paar Kilometer westlich von Hede finden wir dann aber doch einen netten Platz direkt an einem See. Hundert Meter weiter liegt ein total verwaistes und scheinbar selten benutztes Turnier- oder Rennbahngelände, das wir natürlich zuerst mal erkunden müssen. Es stellt sich als wenig aufregend heraus. Nachdem zunächst noch zwei oder drei Autos vorbei kommen, herrscht Ruhe und wir genießen den Sonnenuntergang über dem See.
In der eher wenig bevölkerten Gegend schlagen wir uns am nächsten Tag durch die Wälder grob Richtung Süden, immer auf der Suche nach dem nächsten, möglichst kleinen, aber legal befahrbaren Weg. Das klappt auch ganz hervorragend und wir kommen nur langsam, aber umso genussvoller voran. Unterwegs finden wir zahlreiche, wunderschöne und total einsamen Plätzchen, die zur Übernachtung einladen. Warum findet man so etwas eigentlich immer zu Uhrzeiten, zu denen man gar keinen Stellplatz braucht? Als wir dann bei Mora sind und tatsächlich einen Platz suchen, nehmen wir einen kleinen Campingplatz am See, um dort auch zu entsorgen und Wasser aufzufüllen.
Nach dem Aufstehen möchte Christel zum Outlet von Mora Knivs und ich hoffe, da vielleicht auch ein schönes Messer zu finden oder mir zumindest ein paar anzusehen. Der Shop stellt sich als ziemlich touristisch heraus. Von den zweifellos guten Messern sind nur ganz wenige ausgestellt, dafür gibt es Dala-Pferdchen in allen Größen und Farben und jede Menge andere Souvenirs. Christel kauft schließlich einen ziemlich ungewöhnlichen, hölzernen Wandschmuck in Form eines stilisierten Fischskeletts. Tatsächlich ist das auch so ziemlich das Einzige, was mir dort gefällt.
Leicht genervt von diesem touristischen Exkurs ziehen wir uns schnell wieder zurück auf kleinere Straßen und in die schier endlosen Wälder. Gegen Abend landen wir dann an einem tollen Platz direkt am Ufer des Vestra Silen. Nachdem sich ein paar Feierabend-Badende verzogen haben, gehört die Ecke uns allein. Wir stellen fest, dass das Wasser gar nicht wirklich kalt ist und stürmen von „unserem“ kleinen Strand auch erst mal in den See.
Leider müssen wir unseren Weg am Folgetag so langsam mal in Richtung Heimfahrt lenken. Ohne Hetze fahren wir nach Süden. Am Ende des Tages finden wir in der Nähe von Skogaby wieder einen Platz direkt am Wasser. Die kleine Brücke nebenan ist nachts für Motorfahrzeuge gesperrt und wohl sowieso nicht gerade eine Hauptverkehrsader. Entsprechend ruhig ist es hier und wir freuen uns über einen tollen Sonnenuntergang und den Mond über dem See.
Nach Deutschland geht es nach diesem „kleinen Umweg“ dann wieder via Helsingborg per Fähre über Dänemark. Aber das spare ich mir hier mal einfach.
Zuletzt geändert: 25.06.2022